Aktueller Umsetzungsstand und Herausforderungen Redispatch 2.0


Fristgerecht sind die neuen Regelungen zur Behebung von Netzengpässen, auch Redispatch 2.0 genannt, am 01. Oktober 2021 in Kraft getreten. Leider ist angesichts des Umsetzungsstands der neuen Vorgaben dabei nicht von „vollständig“ oder „wie geplant“ zu sprechen. Im September 2021 hatte die BNetzA noch kurz vor dem genannten Termin mit einem Übergangsmodell versucht, auf die unzureichende Vorbereitung der Marktteilnehmer zu reagieren. Doch die Aussetzung des bilanziellen Ausgleichs durch den Netzbetreiber führte nur zu einer kleinen Verringerung des Umsetzungsdrucks. Der avisierte Funktionsumfang bleibt für viele Unternehmen bis heute leider nicht viel mehr als ein Ziel. Eine vorausschauende Netzzustandsanalyse als Basis für proaktive Maßnahmen zur Behebung von Netzengpässen und eine reibungslose Prozesskommunikation über die neu etablierte Connect+-Plattform RAIDA ist für viele Marktteilnehmer und damit auch den Gesamtmarkt noch in weiter Ferne. Der aktuelle Umsetzungsstand gleicht vielmehr einem Flickenteppich aus bisherigen Prozessen des Einspeisemanagements und einigen neuen Instrumenten wie z.B. den Erzeugungsprognosen.

Die vier kritischen Hindernisse

Die Probleme der Marktteilnehmer sind vielfältig und hängen wesentlich von der individuellen Betroffenheit (Anlagen im Netz) sowie der bestehenden Prozess- und IT-Architektur in der Netzsteuerung ab. Grundsätzlich kristallisieren sich die folgenden vier Hindernisse heraus:

  1. Unausgereifte IT-Lösungen der Dienstleister
  2. Fehlende Zeit für Umsetzung und Tests
  3. Geringe Stammdatenqualität sowie ein komplexer interner Schnittstellenaufbau
  4. Einführung neuer Marktformate und Prozesse

Vor dem Hintergrund eigener Redispatch-Projekte sowie der wachsenden Verunsicherung im Markt, hat HORIZONTE-Group (HG) schon vor dem ursprünglichen Zieltermin des Redispatch 2.0 eine nicht repräsentative Marktumfrage mit 61 Teilnehmern unterschiedlicher Funktion und Betroffenheit durchgeführt. Im Ergebnis sahen sich nur ein Drittel der Befragten in ihrem Unternehmen gut vorbereitet. Mehr als 80 % der Teilnehmer konnte bis zum 01.10.2021 die notwendigen Prozesse nicht oder nicht vollständig testen, sodass eine Verschiebung des Marktstarts ebenfalls von mehr als 80 % der Teilnehmer gewünscht wurde.

Hybrides Projektmanagement

Der zeitlich enge Umsetzungsrahmen sowie nicht ausgereifte Systemfunktionalitäten zwingen Marktteilnehmer häufig zu Workarounds, um dennoch den Anforderungen der Regulierung zu genügen. Vor dem Hintergrund sich kurzfristig ändernden Anforderungen, verzögerter Funktionsbereitstellung und Prozessfehlern hat sich in den Projekten ein Hybridmodell aus agilem und klassischem Projektmanagement sowie innovativen Lösungswegen bewährt, um neue Anforderungen schnell und adäquat umsetzen zu können. Die HG betreut mit diesen Methoden mehrere RD-Projekte, u.a. auch bei der EAM Netz GmbH und der Westfalen Weser Netz GmbH.

Einblicke in die Projekte der EAM Netz sowie der Westfalen Weser Netz

Die Potentiale eines hybriden Projektmanagements als Mix aus einem agilen und klassischen Teil lassen sich exemplarisch am Beispiel der EAM Netz aus Kassel verdeutlichen.

Eine große Herausforderung war es, die Ausfallarbeit auch ohne vollautomatisierte Systemunterstützung rechtzeitig berechnen zu können. Zur Überbrückung haben EAM Netz und HG ein Template zur manuellen Berechnung entworfen. Der fristgerechte Versand der Ausfallarbeitszeitreihe konnte so zum Marktstart eingehalten werden. Manuel Müller, Projektleiter im Projekt Redispatch 2.0 bei der EAM Netz, begrüßt das Vorgehen:

„Ich selbst bin ein Befürworter von hybridem Projektvorgehen, um die Stärken vom agilen und klassischen Ansatz zu nutzen. In einem komplexen Großprojekt, wie Redispatch 2.0, sehe ich dieses Vorgehen als essenziell an und die bisherigen Erfahrungen bestätigen dieses als zielführend.“

Am Beispiel der WWN lässt sich auch gut das Potential innovativer Lösungswege demonstrieren. Elmar Dopp, Projektleiter im Projekt Redispatch 2.0:

„Im Rahmen einer zukunftsorientierten Netzsteuerung ersetzen wir bestehende Rundsteuertechnik durch sogenannte Kleinfernwirktechnik, um eine gute Synergie zwischen Funktionalität und Kosten zu erzielen.“

Redispatch 2.0 wird die Branche weiter beschäftigen

In Summe lässt sich konstatieren, dass die Umsetzung von Redispatch 2.0 die Netzbetreiber noch bis weit in das Jahr 2022 begleiten und viele Nacharbeiten erforderlich machen wird. Gleichzeitig bedeutet dies aber auch eine Chance, um technische- und netzwirtschaftliche Organisationseinheiten stärker miteinander zu verknüpfen, Prozesse intelligent zu denken und die Netzsteuerung zukunftssicher zu gestalten.

Auch die HG erkennt die großen Herausforderungen vor denen die Unternehmen stehen. Deshalb unterstützen wir insbesondere die Netzbetreiber mit fundiertem Know-how, um die vielschichtigen Anforderungen bis zum Ende des Übergangsmodells am 31.05.2022 zu bewältigen.

HG-Webinar im Januar 2022

Am 18. Januar 2022 wird die HG ein Webinar zum Thema Redispatch durchführen, auf aktuelle Herausforderungen eingehen und einen Blick in die Zukunft werfen. Hierzu laden wir Sie jetzt schon herzlichst ein. Die Anmeldung finden Sie hier.

Autoren: Konstantin Reimann und Carlo Weckelmann