Digitale Plattformen in der Energiewirtschaft
Die Januar-Ausgabe der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK) bietet wieder spannenden Lesestoff. Dieses Mal durften unsere HG-Experten Jochen Buchloh, Konstantin Reimann und Frank Hirschi in einem Beitrag über die Erkenntnisse der HG-Webinar-Reihe zum Thema ‚Digitale Plattformen in der Energiewirtschaft‘ berichten. Auf S. 11 lesen Sie, was EVU bei der Auswahl digitaler Plattformen beachten sollten. Im Folgenden lesen Sie die Langfassung des Beitrags.
Wie stellen sich die Softwareanbieter auf die wandelnden Anforderungen des Marktes ein? Auf welcher Basis sollten Energieversorgungsunternehmen (EVU) sich für eine digitale Plattform entscheiden? Die abgeschlossene Webinar-Reihe des Beratungshauses HORIZONTE-Group gibt einen Überblick.
Bereits im September berichtete die ZfK (Link) über die großen Herausforderungen, die EVU, und einhergehend Software-Lieferanten, mit ihren IT-Systemen gegenüberstehen. Immer wieder müssen kurzfristig Anforderungen der Gesetzgeberin in Systemen und Prozessen umgesetzt werden – aktuelle Beispiele wie das Entlastungspaket Energie oder die Abwicklung der sog. Zufalls- und Übergewinnabschöpfung sprechen für sich.
Erläuterung von Plattformen anhand des Schichtenmodells
Eine einheitliche und durch die verschiedenen Anbieter genutzte Begriffsdefinition für digitale Plattformen hat sich bis heute nicht etabliert. Nach Auffassung der HORIZONTE-Group kann jedoch anhand eines Schichtenmodells ein gutes Verständnis für die verschiedenen Anwendungsebenen digitaler Plattformen entwickelt werden (vgl. Abbildung). Die Basis einer Plattform ist in der ersten Schicht die Hardware- und Betriebsumgebung, also das Rechenzentrum, dass diese betreibt. Hier bündelt ein Plattformanbieter Betriebsleistungen für seine Kund*innen um Skaleneffekte und Synergieeffekte zu gewährleisten. Auf einer zweiten Ebene sind Betriebsapplikationen als generische Werkzeuge und Lösungen zu nennen, die in der Regel von der fachlichen Funktion, bzw. prozessunabhängig bereitgestellt werden. In der dritten Schicht sind die fachlichen Applikationen verortet. Hier finden sich die eigentlichen Funktionen und energiewirtschaftlichen Prozesse wieder. Darüber hinaus stellen einige Plattformanbieter eine vierte Schicht zur Verfügung. Durch die gemeinsame Bearbeitung der fachlichen Prozesse eines Business-Process-Outsourcing-Dienstleisters können unterschiedliche Plattform-Nutzer durch Synergien in der Bedienung des Systems und der Sachbearbeitung profitieren.
Viele Plattformanbieter haben das Ziel, kurz- bis langfristig alle energiewirtschaftlichen Marktrollen zu unterstützen. Für EVU ist durch das Unbundling jedoch v.a. Marktrollen-individuell zu bewerten, welche Lösung der „beste Fit“ ist. Basierend auf den vier Schichten können EVU diesen „Fit“ auf die eigenen Bedürfnisse bewerten.
Acht Anbieter im Überblick
In der Webinar-Reihe zum Thema ‚Digitale Plattformen in der Energiewirtschaft‘ hat die HORIZONTE-Group acht Anbietern den Rahmen geboten, ihre Lösungen vorzustellen und Ihnen u.a. hinsichtlich Aufbau und Funktionsumfang auf den Zahn gefühlt. Mit rund 300 Anmeldungen für die komplette Webinar-Reihe und häufig über 100 Teilnehmer*innen ist die HORIZONTE-Group über die Resonanz auf das Angebot mehr als zufrieden. „Wir sind uns darüber bewusst, dass bei vielen Unternehmen, die Frage zur Neuaufstellung in der IT immer drängender wird. Das große Interesse an unseren Webinaren hat uns dennoch überrascht – und spricht für den großen Handlungsdruck in der Branche.“, so Jochen Buchloh, Senior Partner der HORIZONTE-Group. Den Beginn machten Arvato Systems mit der übergreifenden Arvato Energy Platform, welche als ein Betriebssystem für Mandanten und Module nutzbar ist, und die Schleupen SE mit ihrer modularen Plattform Schleupen.CS, die alle ERP-Bestandteile mitbringt und auch Prozessmodellierung nach BPNM 2.0 integriert. Im zweiten Fachwebinar war die Marktrolle Messstellenbetreiber im Fokus. Die Robotron Datenbank-Software GmbH stellte ihre modulare Lösungswelt vor, welche Einzellösungen bis hin zu Komplettpaketen für alle Formen der (v.a. energiewirtschaftlichen) Datenverarbeitung bereithält. Die TMZ Thüringer Mess- und Zählerwesen Service GmbH stellte sich als Dienstleister für Stadtwerke und Regionalversorger mit ihrer individuell konfigurierbaren Messstellenbetriebs-BPO-Serviceplattform vor. Im nächsten Webinar wurden durch die LYNQTECH GmbH und die powercloud GmbH insbesondere die Marktrolle Lieferant erörtert. Die LYNQTECH-Plattform kann dabei alle vertriebsrelevanten Prozesse vom Vertragsabschluss über den Customer Support bis zur Abrechnung abbilden. Die powercloud setzt auf eine starke Standardisierung der energiewirtschaftlichen Prozesse und bietet einen eigenen Appstore an. Im letzten Anbieter-Webinar stellte die E.ON Grid Solutions GmbH die auf das Geschäftsfeld Meter-to-Cash zugeschnittene SPACE-Plattform vor, die auch außerhalb des E.ON-Konzern zur Nutzung angeboten wird. Im gleichen Webinar diskutierten die Teilnehmer:innen die SAP-SE-Lösung ‚S/4HANA Utilities‘. Nach Einschätzung der SAP verfügt diese über zahlreiche Innovationen wie Machine Learning, Echtzeit-Analytics, digitaler Kundenschnittstelle oder vorausschauender Instandhaltung.
„Natürlich sind im Rahmen einer Plattformauswahl durch EVU weitere Anbieter zu beachten, wenngleich auch bei dieser Teilabbildung des Marktes bereits erhebliche Unterschiede zwischen dem Aufbau, dem Funktionsumfang und den Zielkunden der Plattformanbieter deutlich werden“ meint Konstantin Reimann, Manager der HORIZONTE-Group „und auch die vorgestellten Lösungen entwickeln sich kontinuierlich weiter, sodass hier ein regelmäßiges Marktscreening unerlässlich ist.“ Überhaupt ist die Klarheit der EVU hinsichtlich ihrer individuellen Anforderungen die Grundvoraussetzung zur Auswahl des „besten Fits“.
Auf Basis der Vorstellung der Anbieter hat die HORIZONTE-Group hinsichtlich Lösungsportfolio und der adressierten Schichten dennoch eine erste Einordnung vorgenommen.
Offenheit und Integration
Eine Beobachtung aus unseren Veranstaltungen ist hervorzuheben: Die Anbieter digitaler Plattformen priorisieren standardisierte Schnittstellen, die Offenheit ihrer Lösungen und Entwicklungspartnerschaften“ resümiert Frank Hirschi, Manager der HORIZONTE-Group und Mit-Initiator der Webinar-Reihe. Häufig treten EVU selbst als Lösungsanbieter auf und versuchen damit höhere Skaleneffekte zu erreichen. Dann kommt der Erweiterbarkeit, Anpassbarkeit und Integrationsfähigkeit mit anderen Lösungen eine große Bedeutung zu. Das „One-size-fits-all“-Modell „passt“ nicht zum Energiesektor und der wachsenden Komplexität, die die Unternehmen zwingt, ihre Nische und ihr spezifisches Angebot zu definieren.
Change-Management essenziell
Der Übergang auf eine digitale Plattform ist mehr als eine IT-Migration. Ein neues System bedeutet für die EVUs und ihre Mitarbeiter*innen nicht nur eine neue Bedienoberfläche, sondern in aller Regel neue Prozesse und Arbeitsschritte, und Veränderungen in der internen Organisation. Um diesen Prozess optimal zu begleiten, müssen Migrations- und Plattform-Projekte mit professionellen Werkzeugen des Change-Managements aufgesetzt und begleitet werden. Und auch die Prüfung, an welcher Stelle man Prozesse selbst ausführt und an welcher Stelle man outsourced ist nach Einschätzung der HORIZONTE-Group in einem solchen Projekt zu verorten.
EVUs müssen sich jetzt mit digitalen Plattformen beschäftigen
Viele EVU stehen nun vor der Frage: Welche Plattform ist für mich geeignet? Dabei ist die Ausgangssituationen der EVU in der Regel sehr verschieden. Der Start in eine Neuaufstellung mit einer digitalen Plattform erfordert daher strategische Entscheidungen und verlangt eine entsprechende Vorlaufzeit. Richtungssentscheidungen, der komplexe Vorgang der individuellen Anforderungsdefinition, europaweite Ausschreibungen, Einrichtung der Systemlandschaft und die Migration erfordern meist einige Jahre. Deshalb empfiehlt die HORIZONTE-Group den Entwicklungen rund um Cloudifzierung und Digitalisierung in den Unternehmen Priorität einzuräumen, den Handlungsauftrag zu definieren sowie Verantwortlichkeiten festzulegen. Die HORIZONTE-Group hat hierzu ein Vorgehensmodell für EVUs entwickelt, das alle Einzelaspekte berücksichtigt. Dieses Vorgehen startet mit einem initialen Modul und der Sensibilisierung der Management-Vertretung.
Aufgrund der positiven Resonanz der Webinar-Reihe wird die HORIZONTE-Group das Thema digitale Plattformen auch in 2023 weiter vorantreiben.
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