Bundestag beschließt MsbG-Novelle und sichert vorerst den Smart-Meter-Rollout
Smart-Meter-Rollout durch MsbG-Novelle (vorläufig) gesichert
Die wichtigsten Anpassungen des MsbG in Kürze …
- Klarstellung des systemischen Absatzes – das SMGw ist immer im Verbund mit weiteren Systemen im Backend zu sehen
- Sicherung des Bestandsschutzes – verbaute SMGw dürfen auch bei nachträglicher Unwirksamkeit der Markterklärung des BSI im Regelfall weiterverwendet werden
- Erlaubnis einer stufenweise ablaufenden Markterklärung – die durch das BSI gelebte Praxis der Markterklärung nach Einbaugruppen wird als rechtens erklärt
- Korrektur der Vorgaben zur Umsetzung von Steuer- und Schaltprozessen durch SMGw und SMGw-Administrator
- Streichung der Frist für die Umsetzung der sternförmigen Kommunikation
… und in der ausführlichen Darstellung
Der Bundestag hat am Donnerstag, 24. Juni 2021, einen Gesetzentwurf „zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht“ (Drucksachen 19/27453, 19/28407, 19/28605 Nr. 1.16) beschlossen. In diesem Artikelgesetz wurde auch die Novelle des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG; Drucksache 19/30899) beschlossen.
Die Anpassung des MsbG ist eine Folge des im Eilrechtsschutzverfahren ergangenen Beschlusses des OVG Münster vom 4. März 2021 (wir berichteten). Darin wurde die sogenannte Markterklärung für intelligente Messsysteme (iMSys) nach § 30 MsbG vom 24. Februar 2020 für (mindestens die klagenden Parteien) des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als rechtswidrig erklärt.
Die sich daraufhin in der Branche einstellende Verunsicherung war groß. Unter Juristen gab es insbesondere kurz nach dem Beschluss noch zahlreiche Diskussionen zu dessen Auslegung. Die Frage, ob dieser nun für alle Akteure gelte oder nur für die klagenden Parteien, veranlasste einige Messstellen-/Netzbetreiber sämtliche Einbauaktivitäten zu stoppen, während andere nicht müde wurden, zu betonen, dass man „natürlich weitermache“. Auch die Gerätehersteller bekannten sich klar zum Deutschen Smart-Meter-Ansatz – was Beobachter nicht wirklich verwunderte.
Rechtswidrig waren nach Ansicht des OVG Münster unter anderem die Zertifizierung der Messsysteme angesichts noch nicht erreichter Interoperabilität, die Verfehlung der Anforderungen des § 21 Abs. 1 MsbG durch die zertifizierten Systeme und die vom BSI vorgenommene Differenzierung nach Einbaugruppen im Rahmen der Markterklärung.
Um diesen Defiziten abzuhelfen, wurde in den letzten Wochen unter Einbeziehung der Verbände fieberhaft an einer Gesetzesnovelle gearbeitet, die noch in dieser Legislaturperiode zur Verabschiedung kommen sollte. Die notwendigen „Reparaturen“ am MsbG wurden dazu im o.a. Gesetzentwurf untergebracht.
Im Fokus stand die Wiederherstellung der Rechtssicherheit für den Smart-Meter-Rollout, insbesondere durch:
- Klarstellung des systemischen Ansatzes: Das SMGw wird nicht mehr allein als zentrales Element des intelligenten Messwesens aufgefasst, sondern nun im Systemverbund mit SMGw-Admin und weiteren berechtigten Parteien (nach §49 MsbG)
- Sicherung des Bestandsschutzes: Verbaute Geräte dürfen auch bei einer nachträglich als ungültig erklärten Feststellung des BSI nach § 30 MsbG (umgangssprachlich „Markterklärung“) weiter betrieben und eingebaut werden, sofern das BSI keine unverhältnismäßigen Gefahren in der Nutzung sieht und zudem gültige Zertifikate (zeitnah) vorliegen
- Erlaubnis für die stufenweise ablaufende Markterklärung: Das BSI darf die technische Möglichkeit zum Einbau der SMGw (=“Markterklärung“) auch zeitversetzt für die einzelnen Einbaugruppen feststellen – die dahingehend gelebte Praxis wird also nun nachträglich geheilt
- Korrektur der Vorgaben zur Umsetzung von Steuer- und Schaltprozessen durch SMGw und SMGw-Administrator: Die Anpassung von § 21 Abs. 1 Satz 4a definiert nun eindeutig die Bedeutung des SMGw-Admin im Rahmen der künftigen Netzführung und vergleichbaren Aufgaben - dazu bedarf es jedoch teilweise auch noch der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Steuerung über das SMGw selbst (die Diskussionen zum Modell der Spitzenlastglättung zur Anpassung des § 14a EnWG konnten in dieser Legislaturperiode jedoch nicht mehr in einen neuen Gesetzesentwurf eingebracht werden).
- Streichung der Frist für die Umsetzung der sternförmigen Kommunikation: Der MSB darf bis auf weiteres Messwerte verteilen (umgangssprachlich „Y-förmige Kommunikation“), so lange bis das BSI anderweitiges festlegt; die bisherige Frist zum 31.12.2019 entfällt
- Stand der Technik wird jährlich evaluiert und festgeschrieben: Im neuen § 21 (1) bzw. § 22 (2) wird nun stärker auf den Stand der Technik referenziert, um die Verwendbarkeit von iMSys nicht an einem bisher unerreichten Funktionsumfang festzumachen. Dazu wird auch ein Prozess im Ausschuss Gateway-Standardisierung etabliert.
Ob mit den Klarstellungen die Reparatur vollumfänglich und rechtssicher erreicht werden kann, müssen nun erneut die Gerichte bewerten. Bisher gibt es hierzu unterschiedliche Stimmen. Die Neufassung des MsbG jedenfalls ist unter intensiver Konsultation der energiewirtschaftlichen Verbände durch das BMWi entstanden.
Außerhalb des Gesetzes haben sich BMWi und BSI in der laufenden Legislaturperiode ebenfalls noch eine Menge vorgenommen. Nachdem bereits „Technische Eckpunkte für die Weiterentwicklung der Standards für die Digitalisierung der Energiewende“ veröffentlicht wurden, sollen auch die Technischen Richtlinien (TR) „so schnell wie möglich und noch in 2021 die geforderten TR-Zertifizierungsverfahren abschließen“. Der Ausschuss Gateway-Standardisierung (AGwS) soll künftig regelmäßig tagen und die Fortschritte im Roadmap-Prozess der weiteren Entwicklung enger begleiten. Hierzu wurde nun ein verbessertes Verfahren definiert mit festgelegten Stichtagen. Darüber hinaus befindet sich die Version 2.0 des Stufenmodells, welches energiewirtschaftliche Anwendungsfälle für das SMGw detailliert, nun in der Konsultation.
Die HORIZONTE-Group wird die Entwicklungen weiter aufmerksam verfolgen und berichten.
Spanien führt neue zeitvariable Stromtarife ein: Was steckt dahinter?
Spanien führt neue zeitvariable Stromtarife ein: Was steckt dahinter?
Das neue spanische Stromgesetz, das am 1. Juni 2021 in Kraft getreten ist, erlaubt es Millionen spanischer Haushalte einen niedrigeren Strompreis zu bezahlen - zumindest in Zeitfenstern abseits der Hauptverbrauchszeiten. Die Nationale Kommission für Märkte und Wettbewerb (CNMC) gibt an, dass der Verbrauch in Schwachlastzeiten um 95 % günstiger sein kann als in Spitzenlastzeiten. Durch Anpassung der eigenen Verbrauchs-Gewohnheiten könne ein Haushalt demnach zwischen 200 und 300 Euro pro Jahr sparen.
Neue Tarifstruktur sieht 6 Zonen und 3 Preisstufen vor
Die spanische Regierung führt mit dem Gesetz eine neue zeitvariable Preisstruktur ein: Verbraucher (mit einer Leistung von weniger als 15 kW) werden auf einen neuen Tarif, welcher unterschiedliche Strompreise entsprechend der Tageszeit vorsieht, umgestellt. Dazu gelten montags bis freitags sechs Zeitfenster, in denen jeweils eine von drei Preisstufen (Hochlast, Pauschal und Schwachlast) angewendet wird. An Wochenenden und Feiertagen gilt jedoch immer der günstigste Preis. Für Haushalte mit einem regulierten Tarif (PVPC*) erfolgt der Wechsel automatisch.
Haushalte sollen Anreize zur Gewohnheitsänderung bekommen, um Netzausbaukosten zu senken
Ziel der Tarifstruktur ist es laut CNMC, einen effizienten Stromverbrauch zu fördern und zu erreichen, dass Haushalte eine relevante Rolle bei der Dekarbonisierung spielen. So soll erreicht werden, dass die Höhe der Rechnung "mehr davon abhängt, wann und nicht wie viel verbraucht wird" und dass Einsparungen durch die Verlagerung des Verbrauchs in die Schwachlastzeiten im Gegensatz zu den Spitzenzeiten erzielt werden. Die Regulierungsbehörde erwartet, dass dieses Modell die Tür zu niedrigeren Stromrechnungen öffnet, da "effiziente Verhaltensweisen“ inzentiviert werden und gleichzeitig der Bedarf an neuen Investitionen in die Netze reduziert werden könne.
Smart Meter in Spanien bereits flächendeckend verbaut
Es geht also darum, die Gewohnheiten zu überdenken, denn der Strom wird in den Stunden, in denen die Menschen gewohnt sind, Hausarbeiten wie Kochen oder Wäsche waschen zu erledigen, teurer denn je sein. Auf der anderen Seite wird es nachts so günstig wie nie zuvor. Möglich macht dies der intelligente Stromzähler. In Spanien wurde 2010 mit der Installation von intelligenten Zählern, welche den tatsächlichen Verbrauch Stunde für Stunde und Tag für Tag nachhalten, begonnen. Während der Smart-Meter-Rollout in Deutschland zwar angefangen hat, durch den OVG-Beschluss jedoch etwas an Fahrt verloren hat, sind die knapp 30 Millionen spanischen Messstellen aber bereits komplett mit intelligenten Stromzählern ausgestattet (wenn auch mit geringerem Funktionsumfang als bei deutschen Smart Metern).
* PVPC (‚precio voluntario para el pequeño consumidor‘) ist der freiwillige Preis für den Kleinverbraucher, der den von der Regierung festgelegten regulierten Preistarif hat. Es wird geschätzt, dass es etwa 10,7 Millionen Kunden mit diesem Tarif gibt.